Die Bundesregierung hatte Ende 2023 die Umweltprämie für E-Autos abgeschafft, prompt brach der Markt für Stromer und Hybride im Neugeschäft um 75 % ein. Nun stapeln sich die bereits produzierten E-Mobile und veralten auf den Höfen der Händler. Derweil drängen die chinesischen Hersteller mit Macht auf den Markt. Der Pariser Autosalon hat gezeigt, wie China den EU-Markt penetrieren möchte. Wöchentlich werden in Rotterdam, Antwerpen und Hamburg Schiffe mit tausenden, brandneuen Stromern gelöscht.

Politisch wird in der EU immer noch die „NetZero“-Flagge hochgehalten, aber ohne öffentliche Fördermittel wird es nicht gehen. Neben den bekannten Standardtiteln, die alle ihren Höchstständen hinterherlaufen, gibt es auch interessante Nischenplayer. Es lohnt sich daher, den Sektor erneut unter die Lupe zu nehmen, denn die meisten Aktien befinden sich in der Bodenbildung und könnten die Gewinner einer neuen Umweltprämie ab 2024 sein. Aber es gibt auch Unternehmen, die ohne Förderung innovative Konzepte liefern. Wo lauern die nächsten 100 % für Investoren?

VW, Porsche und Mercedes – Der Anpassungsdruck steigt

Auch Ende Oktober will der Druck in der deutschen Automobilindustrie nicht weichen. Mit der Ankündigung einer Streichung von tausenden von Arbeitsplätzen und der Schließung von drei Standorten, rief die VW-Konzernzentrale den Betriebsrat und die Gewerkschaften auf den Plan. IG Metall kündigte bereits flächendeckende Warnstreiks in der deutschen Metall- und Elektroindustrie an. Die Friedenspflicht in den Tarifverhandlungen für rund 3,9 Millionen Beschäftigte unter anderem im Maschinenbau und der Automobilindustrie ist kürzlich abgelaufen.

Die schlechte Stimmung in Deutschland setzt der deutschen Automobilwelt zu, gleich zwei Gewinnwarnungen hatten die Anleger im September von VW und Mercedes zu verkraften. Während VW eine große Restrukturierung ankündigte, bricht den Stuttgartern plötzlich die Marge weg. Schuld an der Misere, sind die stark rückläufigen Absätze in Fernost, hier waren deutsche Premium-Fahrzeuge einst gefragt. Nun dominiert dort aber die E-Mobilität, hingegen die Absätze von Verbrennern geht schneller zurück als erwartet.

Nach neusten Meldungen veranlassen sinkende Absätze in China das Management in Wolfsburg sogar zum Überdenken der dortigen Investitionen. Seit knapp vier Jahrzehnten arbeitet Volkswagen mit dem chinesischen Partner SAIC Motor Corp in China zusammen, in ihren chinesischen Fabriken haben die Wolfsburger mehr als 90.000 Mitarbeiter beschäftigt. Nun steht bereits im nächsten Jahr eine mögliche Werkschließung der Fabrik in Nanjing im Raum. Das klingt nicht nach Wachstum, sondern eher nach Rückbau. Die VW-Aktie liegt in den letzten drei Jahren mit rund 53% Kursverlust am Ende der DAX-Liste.

Bei der Konzerntochter Porsche regiert derzeit die Einsicht, dass ein reinrassiger Sportwagen wohl eher an den Verbrennungsmotor gekoppelt ist, die Absatzzahlen zeigen dies deutlich. Entgegen den ursprünglichen Plänen könnte der Autobauer daher doch weiter auf Benzin- und Hybridmotoren setzen, auch bei Modellen, die eigentlich als reine Elektroautos auf den Markt kommen sollten. Nur noch knapp 11% operative Marge konnte der Hersteller von Juli bis September erzielen. Porsche hatte in den ersten neun Monaten 226.026 Fahrzeuge an die Kunden ausgeliefert. Das waren knapp 7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Zumindest beruhigt ein guter Auftragseingang in Europa und Nordamerika. Gefragt scheint aber der neue Elektro-Macan zu sein, Porsche hat in den ersten Wochen seit dem Start bereits 5.000 Stück des Hoffnungsträgers ausgeliefert. Auch die Porsche-Aktie hat enttäuscht. Nach dem IPO in 2022 stieg der Wert auf 120 EUR, im September erreichte der Wert ein neues Tief bei rund 63 EUR. Auch bei Mercedes-Benz blickt man mit Sorge auf das laufende Geschäftsjahr. Die Stuttgarter senkten Mitte September erneut ihre bereits revidierte Gewinnprognose. Ausschlaggebend dafür ist vor allem die verschlechterte konjunkturelle Lage und das rückläufige Geschäft in Fernost. So dürfte das EBIT voraussichtlich deutlich unter dem Niveau des Vorjahres liegen, besonders die Pkw-Sparte von Mercedes-Benz belastet die Prognose. Für 2024 wird nun eine Marge zwischen 7,5 und 8,5 % erwartet, während zuvor 10 bis 11 % in Aussicht gestellt wurden. 

Mit einer gewagten Doppel-Strategie versorgt die deutsche Automobil-Industrie sowohl die Verbrenner-Kundschaft als auch die zunehmenden Wechsler in die E-Mobilität. Wenn es gelingen sollte, die technischen Defizite b ei der E-Mobilität zu lösen, könnten Automobilaktien der Top-Pick der nächsten 24 Monate werden, denn aktuell werden KGVs von 3,5 bis 5,5 und Dividenden-Renditen von 5 bis 8 Prozent aufgerufen.

BYD, NIO und Tesla – Trotz Importzölle nicht zu bremsen

China operiert in Europa mit einem deutlichen Kostenvorteil. Im eigenen Land stark subventioniert kommen die Produkte per Schiff in die EU. Dort gibt es zwar neuerdings Strafzölle von bis zu 34 %, allerdings können die fernöstlichen Produzenten mit deutlich höheren Absatzpreisen an den Markt gehen. In manchen Modellgruppen geht das bis zu einem Aufschlag von 100 Prozent gegenüber dem Heimatmarkt. Für deutsche Hersteller wird der Absatz von Premium-Fahrzeugen in Asien immer stärker von der lokalen Wirtschaftsschwäche belastet, hier gibt es allerdings keinen Plan B, denn die europäischen E-Modelle sind alles andere als konkurrenzfähig.

Vier von zehn in der EU eingeführten E-Autos kamen zuletzt aus China. Damit hat die Volksrepublik ihre Position als wichtigster Importeur kräftig ausgebaut, auch wenn die absoluten Stückzahlen wegen des schwachen Markts seit Sommer sogar leicht zurückgehen. Dennoch stieg der Anteil Chinas an den gesamten Importen reiner Stromer nach Deutschland mit knapp 41 Prozent deutlich. Im vergangenen Jahr hatte dieser Anteil noch bei 29 Prozent gelegen und in 2020 waren es erst 12 Prozent.

Während „Build your Dreams“ kurz BYD ab dem Jahr 2026 in Ungarn produziert und damit die EU-Strafzölle außen vorlässt, hatte man NIO sogar zugetraut, das Audi-Werk in Brüssel in seine Bücher zu nehmen. Dies wurde jedoch jüngst dementiert. BYD trennte sich kürzlich von seinem deutschen Vertriebspartner Hedin Electric Mobility. Die chinesische Vertriebszentrale wird den Absatz nun selbst in die Hand nehmen. Seit seiner Gründung in 1995 hat sich BYD von einem Batteriehersteller zu einem globalen Giganten im Bereich der Elektromobilität entwickelt.

Mit der Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette, einschließlich der Batterieproduktion, hat sich das Unternehmen damit einen strategischen Vorteil im Bereich der Elektrofahrzeuge aufgebaut. Die eigenentwickelte „Blade-Battery“ zählt heute zu den modernsten Aggregaten auf dem Speichermarkt. Während europäische Hersteller versuchen, mit diesen technologischen Fortschritten Schritt zu halten, bleiben sie in vielen Bereichen, insbesondere bei Softwarelösungen und der Fahrzeugkonnektivität, im Rückstand. BYD wächst zwar mit 15 bis 20% pro Jahr, das aktuelle KGV von 18,5 scheint aber ambitioniert.

Das StartUp NIO hat in China einen Traumstart hinlegen können. Durch die Entwicklung eines eigenen Batterie-Tauschsystems, können Kunden längere Wartezeiten beim „Laden“ umgehen. Das System ist in Asien schon hundertfach installiert, aber in Europa noch nicht zugelassen. Hiermit wird es möglich, die Ladezeiten durch einfaches Auswechseln auf 10 Minuten zu reduzieren. In einem Research-Bericht vom September heben US-Analysten die guten Marktchancen des neuen NIO-Modells Onvo L60 hervor. Der E-SUV kostet umgerechnet nur 19.000 EUR und könnte Tesla im Segment Tesla Y richtige Probleme bereiten. Investoren sollten die chinesischen Technologie-Konzerne weiter auf dem Radar haben, denn der Automobilmarkt unterliegt einem grundlegenden Wandel. NIO wird aber erst ab 2028 Gewinn machen und ist daher nur für spekulative Anleger geeignet.

Mit einem berauschenden Q3-Bericht hat Tesla im Sektor erneut den Vogel abgeschossen. So steigerten die Texaner die Auslieferungen um 6% auf knapp 463.000 Fahrzeuge. Den Löwenanteil davon machten mit rund 440.000 Einheiten die günstigeren Modelle 3 und Y aus. Die Erlöse stiegen im Jahresvergleich um 8% auf knapp 25,2 Mrd. USD, aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten an Autobauer mit Verbrennungsmotoren generierte der E-Pionier rund 5 Mrd. USD an Liquidität. Insgesamt erhöhte sich der Tesla-Gewinn im Jahresvergleich um 17% auf rund 2,17 Mrd. USD, das lag rund 25% über den Markterwartungen.

Nach eigenen Aussagen wird der Fahrzeugabsatz im kommenden Jahr um 20 bis 30% zulegen, allein von den selbstfahrenden Robo-Taxis sollen laut Firmengründer Elon Musk bis 2026 rund 2 Mio. Stück produziert werden. Im laufenden Jahr erwarten Analysten allerdings ein Unterbieten der Vorjahreszahlen, das scheint aber im Kurs bereits enthalten zu sein. Kein Wunder, dass die Aktie bei so viel Erwartungshorizont mit einem wahren Freudensprung von über 25% auf über 275 USD durchstartete. Damit ist das KGV 2024e wieder über dem magischen Faktor 100 angelangt und die Marktkapitalisierung von aktuell 860 Mrd. USD überflügelt den Wert aller verbleibenden Automobilhersteller. Wer hier noch investiert, bezahlt heute schon 25 % Wachstum p.a. bis ins Jahr 2030. Unvorstellbar – aber die Börse hat wohl immer recht.

Ari Motors SE – Mit kleinen Stromern äußerst erfolgreich

Von groß zu klein! Kaum auf dem Radar haben insbesondere deutsche Anleger den E-Mobilitäts-Nebenwert Ari Motors SE. Die 100 %-ige Tochtergesellschaft Ari Motors GmbH ist Anbieter des aktuell kleinsten Elektrotransporters mit Straßenzulassung in Deutschland. Dieser eignet sich mit seinen mannigfaltigen Versionen sowohl für Kleinunternehmer und mittelständische Betriebe als auch für Großkonzerne im Flotteneinsatz. Entscheidend sind dabei der geringe Anschaffungspreis, das flippige Design und die besondere Eignung für Dienstleistungen der „letzten Meile“ – also vor die Haustür des Kunden, welcher beliefert oder mit Dienstleistungen versorgt werden soll. Daneben gibt es einfache Personenwagen im Sortiment, welche bereits bis Preisen von ca. 15.000 EUR erworben werden können.

Mit nur 10 Mio. ausgegebenen Aktien beträgt die Marktkapitalisierung mit Kursen um 0,40 EUR derzeit überschaubare 4 Mio. EUR. Doch die Größe sollte nicht über den Erfolg hinwegtäuschen, denn das Unternehmen aus Borna bei Leipzig hat sich ein ordentliches Wachstumsprogramm verschrieben. In den Corona-Jahren 2021 bis 2022 blieb der Umsatz noch in einer Größenordnung von 2,7 bis 3,2 Mio. EUR stecken, im Jahr 2023 erreichte man den Rekordwert von 3,7 Mio. EUR. Wie aus einer Unternehmensveröffentlichung am 30.09.2024 hervorgeht, haben die Leipziger den Vorjahresumsatz mit 3,1 Mio. EUR schon knapp in den ersten 6 Monaten erreichen können.

Und das Geschäft kann sogar noch weiter zulegen. Wie man hört, soll es gerade im vierten Quartal ordentlich brummen. So wurde beispielsweise eine Kooperation mit der 1996 gegründeten BEGECA geschlossen, die als Dienstleister für kirchliche und soziale Einrichtungen als auch für Pflegedienste, Ärzte und medizinische Einrichtungen agiert. Ein weiterer Rahmenvertrag konnte mit dem Real Estate und Facility Manager APLEONA mit Sitz in Neu-Isenburg geschlossen werden. Zirka 40.000 Mitarbeiter sind für APLEONA in mehr als 30 Ländern tätig und werden nun mit günstiger Mobilität ausgestattet.

Eine weitere Kooperation wurde mit dem Reisemobilproduzenten PhoeniX Morelo geschlossen. Der Produzent von hochwertigen Wohnmobilen bietet nunmehr ARI Fahrzeuge als „Fahrzeug im Fahrzeug“ an. Hintergrund: Die Wohnmobile sind auf Grund ihrer Größe nicht für das Erkunden von innerstädtischen Bereichen geeignet. Somit haben viele Wohnmobile der gehobenen Klasse Platz für kleinere Stadtautos, die durch ihre Wendigkeit ideal für eine Fahrt durch kleine Gassen sind. Auch im Bereich der Förderprogramme und Forschungsprojekte gibt es positive Entwicklungen z.B. mit dem bekannten Automobilzulieferer Hella, dass die Entwicklung von LED-Displays gerade für die Außenflächen der größeren Fahrzeugmodelle von ARI Motors beinhaltet.

Und noch ein Vertriebs-Kracher: Ein Förderprogramm des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg bietet bis zu 7.000 EUR für elektrische Pflegedienstfahrzeuge. Das genehmigte Budget ermöglicht so die Förderung von bis zu 1.000 Fahrzeugen. Die Geschäftsführung von ARI Motors hat Maßnahmen ergriffen, um von diesem Förderprogramm zu profitieren. Äußerst ermutigend ist der Blick ins Auftragsbuch: Hier haben sich Orders über etwa 5 Mio. EUR angesammelt, seit neuestem spielt Ari mit dem Modell 1710 sogar in der Sprinterklasse mit. Wer auf die Website (www.ari-motors.com) blickt, entdeckt den elektrischen Konkurrenten zum Sprinter, VWs Crafter oder den Iveco Daily. Spannend wie dieser Kampf ausgeht, denn Ari bietet den E-Kastenwagen ab 45.000 EUR an. Das ist sogar 10% unter dem Einstieg in die Dieselklasse. Hier gibt es bereits jede Menge Bestellungen, die schon in Q4 umsatzwirksam werden.

Die Aktie handelte in den letzten Monaten ca. 25.000 Stück am Tag. Eine sichtliche Bewegung kam durch das jüngst veröffentlichte Research-Update von SMC, die ein 12-Monatskursziel von 1,80 EUR errechnet haben. Die Analysten sehen im aktuellen Wachstumssprung von 65 % eine entscheidende Weiterentwicklung im laufenden Jahr. Nun werden bis Jahresende steigende Auslieferungen erwartet. Der Durchschnittsumsatz soll sich wegen höherwertiger Ausstattung und dem E-Sprinter 1710 deutlich erhöhen. In 2024 werden laut Analyse insgesamt 8,4 Mio. EUR an Erlösen durch die Bücher laufen, in 2025 wird ein Umsatz von 12,6 Mio. EUR erwartet.

Auch der Gewinn je Aktie kann Schritt halten. Die Experten taxieren nach 0,06 EUR in 2024 für die Jahre 2025 und 2026 Gewinnsprünge von über 40 bis 50 % auf 0,10 bzw. 014 EUR. Damit steht für 2025e ein KGV von 3,9 im Raum. Eine Bestätigung der guten Geschäftslage sollte mit der Hauptversammlung am 12. Dezember auf dem Tisch liegen. Die Aktie der Ari Motors SE eignet sich gut als spekulative Beimischung in einem Wachstumsdepot, aktuell kostet sie nur 0,39 EUR.

FAZIT

Die E-Mobilität wird als Bestandteil der globalen Dekarbonisierungs-Strategie in Europa in den nächsten Monaten höchst interessant. Die deutschen Hersteller leisten sich noch eine teure Doppel-Strategie, das kann funktionieren, aber auch hohe Kosten aufwerfen. Anleger kaufen die Titel derzeit auf 3-Jahres-Tiefstständen. Neben den bekannten chinesischen Herstellern BYD und NIO, sollte man auch nie den Platzhirschen Tesla aus den Augen verlieren. Noch nicht auf dem Radar haben Investoren die kleine Ari Motors SE. Der kleine Nischenanbieter assembliert chinesische Qualitäts-Bauteile in Deutschland und ist damit äußerst erfolgreich. Eine gute Diversifikation schützt das Portfolio vor größeren Schwankungen.